Im folgenden Artikel wollen wir Ihnen einen Überblick darüber geben, welche Entscheidungen mit KI automatisiert werden können und ob KI bereits in der Lage ist, Handelsstrategien selbstständig umzusetzen. In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, welche Daten sinnvoll mit KI analysiert werden können.
Warum ist KI gerade in aller Munde?
Das liegt im Wesentlichen an Fortschritten in drei Bereichen:
• Die Rechenleistung ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Gleichzeitig sind die Kosten gesunken. Das „Moore‘sche Gesetz“ von Gordon Moore besagt, dass sich die Komplexität integrierter Schaltungen bei minimalen Komponentenkosten regelmäßig alle 12 bis 24 Monate verdoppelt. Diese These ist nach wie vor gültig.
• Die Datenlage wird immer besser. Die Kosten für die Datenbeschaffung sinken, was sich insbesondere über die fortschreitende Digitalisierung im Finanzbereich bemerkbar macht.
• Die Forschung beschäftigt sich intensiv mit KI, was sich in einer starken Zunahme der Publikationen in diesem Bereich seit etwa 2018 widerspiegelt.
Was ist KI? Was ist Machine Learning? Was ist Deep Learning?
Bild 1 zeigt den fachlichen Überblick. Im Allgemeinen ist KI ein Sammelbegriff für die Fähigkeit, menschliche Aufgaben mit Hilfe von Algorithmen zu automatisieren. Dabei gibt es die Untergruppe Machine Learning, die vereinfacht gesagt für selbstlernende Algorithmen steht, und dann Deep Learning, das selbstlernende Algorithmen auf Basis neuronaler Netze beschreibt. Im Machine Learning und Deep Learning gab es vor allem in den letzten fünf Jahren enorme Leistungssteigerungen in den drei oben beschriebenen Bereichen.

Grundlagen für die Anwendung einer KI im Investmentbereich
Am Anfang eines jeden KI-Anwendungsfalles steht die Frage, ob die Aufgabe ausreichend mit vorhandenen Daten gefüttert werden kann, d.h. ob wir das Umfeld, in dem die KI Entscheidungen treffen soll, ausreichend dokumentieren können. Am Aktienmarkt beispielsweise sind ein Teil dieses Umfelds Bid & Ask Preise, Bid & Ask Volumina, Analystenerwartungen, aktuelle Nachrichten und andere Faktoren. Es gibt jedoch wichtige und weniger wichtige Faktoren die dokumentiert werden können und so im Laufe der Zeit einen historischen Datensatz bilden, aus dem die KI lernen kann, um den Anwendungsfall der Aktienkurs- oder Volatilitätsmodellierung zu realisieren. Wenn die Umgebung durch historische Daten ausreichend beschrieben ist, kann man der KI einfach vorgeben, welches Ziel sie erreichen soll. Dies wird als überwachtes Lernen (supervised learning) bezeichnet, da der KI vorgegeben wird, welches Ziel sie erreichen soll. Im Fall der Modellierung von Aktienkursen könnte dieses Ziel darin bestehen, den Kursanstieg oder -rückgang in X Tagen auf der Grundlage historischer Daten zu modellieren. Dabei kann KI heute weitaus komplexere Zusammenhänge als lineare Abhängigkeiten berücksichtigen und so auch Zusammenhänge zwischen EUR/USD-Kursbewegungen und DAX-Abverkäufen erkennen.
Anomalien erkennen
Im Gegensatz dazu steht das unüberwachte Lernen (unsupervised learning), bei dem man der KI kein konkretes Ziel oder eine zu modellierende Variable vorgibt, sondern die KI selbst aus den Daten Zusammenhänge analysieren und Gruppierungen vornehmen lässt. Dadurch können interessante Einblicke in die Daten gewonnen werden, die aufgrund der Datenmenge und der komplexen Zusammenhänge nicht ohne weiteres ersichtlich wären. Übertragen auf das Beispiel der Volatilitätsmodellierung könnte dies in etwa so aussehen, dass der KI ein Ausschnitt der aktuellen Umgebung (in Form von Daten) übergeben wird und diese entscheidet, ob wir uns in einer volatilitätsreichen oder volatilitätsarmen Umgebung befinden. Dies kann auch als eine Art „Anomalieerkennung“ betrachtet werden.
Die praktischen Anwendungsfälle nehmen zu
Die Anwendungsfälle von KI und die Bereiche, in denen sie Entscheidungen treffen kann, nehmen daher mit der Verbesserung der Datenlage im Finanzmarkt stetig zu. Da sich immer mehr Prozesse im Investmentprozess datenbasiert abbilden lassen, kann KI eingesetzt werden. Dabei gilt die Faustregel, dass mit mehr Daten auch komplexere KI-Modelle wie neuronale Netze sinnvoll sind und mit weniger Daten eher einfachere KI-Modelle wie ein Random Forest (eine Ansammlung von Entscheidungsbäumen). Ersteres eignet sich vor allem für Intraday-Daten wie Bid-Ask-Preise, Volumendaten oder Textnachrichten. Letzteres eher für Fundamentaldaten wie Umsatz, EPS, EBITDA oder andere Kennzahlen, da hier meist nur vier Datenpunkte pro Jahr zur Verfügung stehen und somit maximal 80 Dateneinträge über die letzten 20 Jahre verfügbar sind. Bei Intraday-Kursdaten hingegen über >1.000 Dateneinträge pro Tag oder Stunde.
Kann KI bereits selbstständig eine eigene Handelsstrategie umsetzen?
Ja, das kann KI heute. Voraussetzung ist, dass alle Prozesse im Investmentprozess mit Daten beschreibbar sind. Und dass die unterschiedlichen Prozesse mit unterschiedlichen KI-Modellen bewältigt werden können. Aus den bisherigen Beispielen lässt sich eine einfache Anlagestrategie ableiten, die aus einem unsupervised und einem supervised KI-Ansatz besteht. Dabei wird ein KI-Modell mit historischen Bid & Ask Preis- und Volumendaten trainiert und hat das Ziel, den Preis stündlich zu modellieren und eine Aussage zu treffen, ob der Midprice (Mittelwert zwischen Bid & Ask Preis) in den nächsten 48 Stunden steigen oder fallen wird. Zusätzlich wird das unsupervised KI Modell verwendet, um dem supervised KI Modell mitzuteilen, ob eine hohe Volatilität erwartet wird, wenn dies der Fall ist, soll das supervised KI Modell keine Aussage darüber treffen, ob der Midprice steigen oder fallen wird, da das Risiko durch die erwartete Volatilität höher ist.
Ein KI-System kann noch mehr
Die Kombination verschiedener KI-Modelle wird oft als KISystem bezeichnet. Ein System benötigt nun ein spezifisches Underlying, z.B. einen Aktienindex, den das System kontinuierlich modellieren soll. Dabei können z.B. für den DAX alle Preisdaten der darin enthaltenen Unternehmen relevant sein und den oben beschriebenen KI-Modellen zusätzlich Preis- und Volumendaten verschiedener Börsenplätze sowie relevante Nachrichten zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wird das Umfeld besser beschrieben und das KI-System kann sich in der Modellierung des DAX-Kurses und der Volatilität verbessern und damit ggf. gewinnbringend investieren. Dabei ist es möglich, wenn das KI-System unspezifisch programmiert wurde, das System auf viele andere Assetklassen zu übertragen. Wichtig ist, wenn auf eine automatisierte Ausführung Wert gelegt wird, dass die Assetklasse liquide ist und eine automatisierte Schnittstelle zum Börsenplatz bzw. Markt besteht, damit das KI-System den Output des Modells in eine konkrete Order umsetzen kann. Dazu kann wiederum das aktuelle Orderbuch des modellierten Underlyings in der eingangs beschriebenen Umgebung hinzugefügt, ein weiteres KI-Modell mit historischen Orderbuchdaten trainiert und wiederum die Orderplatzierung z.B. auf minimalen Spread optimiert werden. Daraus lässt sich wiederum ableiten, wie vielfältig die heutigen Anwendungsfälle im Bereich der KI sind.
Wer setzt solche KI-Systeme bereits ein?
Bisher sehen wir den Einsatz vor allem bei Hedgefonds. Two Sigma oder die Man Group sind hier Vorreiter. In der letzten Ausgabe von TRADERS´ haben wir über diese Unternehmen berichtet und uns auch die Frage gestellt, wie viel KI wirklich in Robo Advisorn steckt. Das Ergebnis war ernüchternd. Insgesamt sind wir aber davon überzeugt, dass KI weiter Einzug in den Investmentprozess halten wird, da sie dem Asset Manager Kosten und Zeit sparen kann, damit er sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.
Fazit:
Die Umgebung, in der eine KI agiert, muss durch ausreichende Daten beschrieben werden können. Die Qualität und Quantität der Daten, mit denen ein KI-System gefüttert wird, ist elementar für den Erfolg des KI-Anwendung. Für die entsprechenden Daten müssen geeignete supervised und unsupervised Modelle verwendet werden (Reinforcement Learning Ansätze wurden hier nicht berücksichtigt). Die Praxis zeigt, dass mit abnehmender Datenmenge tendenziell einfachere KI-Modelle besser geeignet sind. Eine KI ist in der Lage, selbständig neue und erfolgreiche Handelsstrategien umzusetzen, sofern die Prozesse in der Strategie durch Daten beschreibbar sind. Die Zahl der Anwendungsfälle für KI nimmt stetig zu, mit steigender Datenqualität beschleunigt sich dieser Trend sogar noch.